Nicht den Mut verlieren. Medienkompetenz in Krisenzeiten

31. März 2022

Der Ukrainekrieg schockiert. Er bringt auch hinsichtlich der Medienpädagogik und Sozialarbeit viele Herausforderungen mit sich. Das betrifft Themen wie Information vs. Desinformation, die Arbeit mit geflüchteten ukrainischen Kindern und Familien, den Umgang mit Ängsten in unserem Alltag. Der Krieg ist mit all seinen Facetten, traurigen Details und Spekulationen medial überaus präsent. Massiv und teils ungefiltert dringen täglich die Informationen auf allen Kanälen herein. Und alles gleichzeitig: Mariupol, Bombenopfer, TikTokerin Valerisssh, Solidarität, flüchtende Familien, Berliner Hauptbahnhof, Selenskyj, Scholz, Hyperschallraketen, Panzersperren, Heroismus. Leiden und Hilfsbereitschaft sind eng beieinander.
Kriege sind aber immer auch Zeiten von Raserei und Eskalation, was der Ukrainekrieg wieder sehr deutlich zeigt. Das bedeutet Stress und löst nicht nur bei Jüngeren Ängste aus. Der gesamte Sozialraum ist angespannt. Ob Schule, Familie oder Beruf – die Diskussionen kreisen um diesen Krieg, der uns beunruhigend nahegekommen ist. Waren andere, nicht minder schwere Kriege eher fern und damit abstrakter, so sind die Auswirkungen diesmal recht konkret. Die Ukrainekrise ist eben nicht nur ein „Medienthema“. Aber, die mediale Berichterstattung sowie Bilderfluten in Sozialen Netzwerken spielen eine gewichtige Rolle.

Krieg in den Sozialen Medien
Der Ukrainekrieg ist „in und mit sozialen Medien auf eine völlig neue Größenordnung und Qualitätsstufe katapultiert worden“, so schrieb Sascha Lobo kürzlich in seiner SPIEGEL-Kolumne. „Über soziale Medien kann zusätzlich zur Aufmerksamkeit eine Emotionalität und eine Nähe hergestellt werden, die kaum mit anderen Medienformen erreichbar ist. Beides hat sehr wesentliche Funktionen im Krieg.“ (Lobo 2022) Er beschreibt unter anderem, wie TikTok-Stars für den Informationskrieg eingespannt werden. Aber jenseits der Stars gibt es unzählige TikTok-User, die ungefiltert CloseUps aus den Kriegsgebieten anbieten, auf denen Kampfhandlungen, Zerstörungen, Leichen und viele traumatisierte Menschen zu sehen sind. Natürlich auch Helden. Wenn es nicht der TikTok-Algorithmus automatisch nach oben setzt, dann sind mit simpelsten Hashtags schnell die entsprechenden Bilder erreichbar. Die „Warfluencer“ sind, so Sascha Lobo, essenziell für unsere Wahrnehmung des Krieges aber auch für die Mobilisierung. „Die Kraft der sozialen Medien liegt darin, zwar eine Inszenierung anzubieten – aber trotzdem einen sehr wahrhaftigen und unmittelbaren Blick in die Realität anderer Leute zu erlauben.“ (Lobo 2022) So wichtig diese Aufnahmen auch sind, so problematisch kann die ungeschützte Konfrontation gerade für jüngere Kinder sein. Verstörende Bilder und die allgegenwärtige Informationsmasse können für Kinder sehr belastend sein. Umso wichtiger ist es, dass Eltern, Sorgeberechtigte, Lehrer:innen und Fachkräfte ein Auge darauf haben, wie Kinder diese Informationen verarbeiten. Nicht erst, wenn Anzeichen von tiefgreifender Irritation oder Verhaltensänderungen sichtbar sind, sollte das Gespräch gesucht werden. Die Begleitung der Kinder ist außerordentlich wichtig. Aus welchen Motiven schauen sie es? Haben sie Meidungsstrategien entwickelt? Auch traumatherapeutische Ansätze sind gefragt. Zudem gilt nachwievor: die Medienkompetenz der Eltern und Lehrer ist zu stärken.

Empathie und Angstmanagement
Im Potsdamer Netzwerk Medienbildung haben wir nachgefragt, wie sich der Krieg auf die Arbeit auswirkt und was sinnvoll gegen Angst hilft. Jenseits üblicher medialer Angebote sind beispielsweise Sport und Musik durchaus geeignete Mittel, Ängsten und Traumata entgegenzuwirken. Ein wesentlicher Schwerpunkt kann auch in einer partizipativ orientierten Erlebnispädagogik liegen, so der Potsdamer Medienpädagoge Erich Benesch. Letztlich sollte es vor allem um Empathie gehen. Mit den Kindern kann auch gemeinsam überlegt werden, welche Ressourcen beispielsweise in der Familie realistisch für Hilfe eingesetzt werden können. Wie wir sehen, ist die reale Resonanz auf Hilfsanfragen gewaltig. In den medialen Welten laufen die Dinge zuweilen anders. Hier können mitfühlende Berichte, extreme Meinungen und Propaganda aufeinanderprallen. Wo können sich Kinder und Jugendliche altersgerecht informieren? Wo finden Eltern und Pädagogen gut aufbereitete Informationen? Wie können Kinder bei der Konfrontation mit dem omnipräsenten Thema Krieg sensibel und sachorientiert begleitet werden? Was sind ansprechende und gute Portale?

Empfehlungen
Alle wichtigen Medienbildungs- und Fachportale bieten derzeit hilfreiche Linklisten, Handreichungen und Tipps zur Krisenbewältigung und altersgerechten Mediennutzung hinsichtlich der Ukrainekrise an. Wir wollen daher nicht unbedingt eine weitere lange Liste hinzufügen, aber auf ein paar ausgewählte gute Zusammenstellungen hinweisen. Der Krieg ist jetzt Realität. Wir hoffen, dass uns in nicht allzu ferner Zukunft das Thema Frieden mehr beschäftigen wird.

Außergewöhnlich. Das Greifswalder Magazin KATAPULT hat ein ganz besonderes Ukraine-Spezial mit aufschlussreichen Karten und tollen Dossiers am Start.
https://katapult-magazin.de/de

Praxisnah. Auf Klicksafe.de gibt’s diverse Handreichungen für Eltern, Pädagog:innen und Fachkräfte zum Umgang mit dem Ukrainekrieg.
https://www.klicksafe.de/materialien/medienerziehung-krieg-in-der-ukraine/

Allgemeinbildend. Die Bundeszentrale für Politische Bildung bietet gut aufbereitete politisch-historische Einordnungen.
https://www.bpb.de/themen/europa/krieg-in-der-ukraine/

Altersgerecht. Flimmo.de hat als Elternratgeber für TV, Streaming und YouTube Linktipps zusammengestellt, die Angebote für Kinder fokussieren.
https://www.flimmo.de/redtext/101380/Krieg-in-Europa

Unterstützend. Jugend.support bietet sehr konkrete Hilfeangebote für Jugendliche und Kinder ab 10 Jahren bei Stress im Netz an.
https://www.jugend.support/krieg-ukraine/

 

Quellen:
Lobo Sascha (2022): Krieg der Influencer. Spiegel Online v. 23.3.2022.
https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/lobo-kolumne-warum-influencer-im-krieg-um-die-ukraine-wichtig-sind-a-51623edb-36ad-4117-ab4b-fed80c3862d4

Uwe Breitenborn für die Medienwerkstatt
Foto: MWP/UB